Windräder da, wo sie hingehören

Steiner Anzeiger vom 19.07.2016

Auch auf deutscher Seite formiert sich Widerstand gegen
den geplanten Windpark im Chroobach. Eine neu
gegründete Bürgerinitiative fordert Transparenz und
mehr Kenntnis über konkrete Zahlen. Mark Schiesser

ÖHNINGEN-SCHIENEN Kaum erwartet,
aber erhofft war der grosse
Aufmarsch am Mittwochabend zur
Informationsveranstaltung in der
Turnhalle von Schienen.
Über 200 In teressierte folgten
der Einladung der im Mai ennet der
Grenze gegründeten Bürgerinitiative
«Landschaftsschutz Schienerberg»,
die sich gegen das geplante Windkraftprojekt
auf der Schweizer Seite
des Bergrückens starkmachen will.
Die Grössenordnung der von der

EKS, SHPower und Generis AG geplanten
Windkraftanlage – zum Teil
nur 60 Meter von der Grenze entfernt
– sei so gewaltig, dass sie die
Lebensform der Anwohner für lange
Zeit beeinflussen werde, erklärte
Gründungsmitglied Philipp von
Magnis, der seit zehn Jahren im Ort
wohnt und die unberührte Natur
schätzt. Obwohl seine Gruppierung
grundsätzlich nicht gegen Windenergie
sei, «aber da, wo sie hingehört
», und man keine Grundsatzdebatte
über ein «Für oder Wider»
führen wolle, vertrat er die Meinung,
dass die Anwohner in der deutschen
Nachbarschaft erstaunlich wenig
Informationen erhalten hätten.
Als Einstimmung diente eine mit
dramatischer Musik hinterlegte Visualisierung
der geplanten Windkraftanlage,
die laut Verfasser auf
gesicherten Messmethoden beruht
und zeigt, dass die Dörfer hinter
dem Schienerberg wie auch die
zahlreichen Aussichtspunkte im
Hegau durch die Windräder eine
optische Beeinträchtigung hinnehmen
müssten. Viel Interessantes, vor
allem aus Sicht des Nachbarlandes… Baden-Württemberg und dessen
Rechtslage in Sachen Bau von
Windkraftanlagen wusste Diplomingenieur
und Landschaftsarchitekt
Ulrich Bielefeld sehr ausführlich zu
berichten.
So würden Naturschutzgebiete
und Artenschutz als Kriterien gelten,
wie auch Lärmgrenzwerte und
Windstärke, wobei der Bodensee-
Raum als windschwächstes Gebiet
in Deutschland gelte.
Zur Ablehnung von Standorten
könnten auch zu nahe Abstände zu
Siedlungen führen. Als Alternative
zur Windenergie zeigte Bielefeld
auch Bilder von Fotovoltaikfeldern,
an deren Realisierung er gearbeitet
hat und die im Aussehen etwas
dem der Hagelnetze der Obstanlagen
nahe kommen. «Wir Bürger
vom oberen Kantonsteil wissen,
dass wir nicht nur gute Nachbarn,
sondern auch Freunde haben», erklärte
Edi Schwegler als Vertreter
der Interessengruppe «Gegenwind
Chroobach». Man habe sich deshalb
vereint, um gegen diesen Wahnsinn
zu kämpfen.
Zwei Franken pro Quadratmeter
Sorgen bereite ihm, dass drei
von vier geplanten Türmen auf
dem Grundeigentum der Stadt
Stein am Rhein gebaut würden, der
Stadtrat sich für das Projekt ausgesprochen
hat und den Wald für
zwei Franken pro Quadratmeter
verkaufen will.
Dass ein Teil der an der Entscheidung
mitbeteiligten Stadtratsmitglieder
bei der nächsten Wahl
nicht mehr antreten würden, sah
Schwegler als Hoffnung in Bezug
auf deren Meinungsänderung und
betonte: «Wenn das nicht der Fall
ist, werden wir eine Volksinitiave
starten.» Ausgerechnet der Kanton
Schaffhausen als Hüter der Denkmalpflege
wolle dieses Projekt,
wofür er kein Verständnis habe.
«Der untere Kantonsteil soll einen
Naturpark erhalten und wir im
oberen Kantonsteil einen Windpark.
» Neben der Hoffnung auf
einen ablehnenden Entscheid des
Heimatschutzes werde man auch
bei weiteren Prüfungen genau hinschauen.
«Unser grösstes Gut ist
immer noch unsere intakte Natur»,
so Schwegler.
Ein «Buebetrickli»
Sie sei gespannt, wie es weitergehe,
meinte eine Bürgerin aus
Hemishofen und bemerkte, dass
aus ihrer Sicht an der damaligen
Infoveranstaltung in ihrem Heimatdorf
nur Befürworter anwesend
waren. Ausserdem sei, nachdem
sich der Gemeinderat klar gegen
eine Umzonung äusserte, zu hören,
dass das Raumplanungsgesetz zur
Anwendung kommen könnte und
dann der Kanton zuständig wäre,
was sie als «Buebetrickli» bezeichnete.
Dass die Höri nicht mehr die
Höri sein wird, betonte Roland Stein,
der vom Hunsrück nach Schienen
gezogen ist und in seiner alten Heimat
mitverfolgen konnte, wie sehr
die Windkraftanlagen das Landschaftsbild
verändern. Stein erklärte
nicht nur, weshalb es wichtig sei,
sich gegen das Vorhaben zu engagieren,
sondern riet auch, besser
jetzt schon zu reagieren.
Seitens der Befürworter bemängelte
Benne Müller (Solarcomplex)
die einseitige Information, ohne
die eigentlichen Projektträger zu
Worte kommen zu lassen. Er stellte
auch die Frage in den Raum, wie
man sich die Energiewende denn
vorstelle.
In der anschliessenden Fragerunde
gab Öhningens Bürgermeister
Andreas Schmid bekannt, man
werde im Gemeinderat alle Informationen
bewerten und dann Stellung
beziehen, wenn die Zonenplanänderung
in Hemishofen anstehe.