Schaffhauser Nachrichten vom 05.02.22
«Für uns ist der Souverän massgebend. Er kommt für mich vor der Kantonsregierung.» Paul Hürlimann Gemeindepräsident Hemishofen
Auf die Frage «Was stört Sie am Chroobach-Projekt?» sagen der Hemishofer Gemeindepräsident Paul Hürlimann, Finanzreferentin Charlotte Blank sowie die beiden Mitglieder der Planungskommission, Fritz Schürch und Raimondo Vincenti, kurz und bündig: «Ziemlich alles.» Paul Hürlimann präzisiert: «Was uns vor allem stört, ist, dass die Landschaft verschandelt wird. Die Windkraftanlagen sollen auf der Krete zu stehen kommen, und zwar mitten im Wald.» Auch das sei ein Kritikpunkt, so Hürlimann, «denn wir
wissen, dass es vorkommt, dass eine solche Anlage brennt, und dieses Risiko kann ich nicht verantworten.»
Und auch das Wild und die Vögel führt der Gemeindepräsident ins Feld sowie den grossen Platzbedarf für die vier Anlagen und den Umstand, dass viele alte Bäume gefällt werden müssen. Raimondo Vincenti, von Haus aus Bauingenieur, argumentiert mit der Zufahrtsstrasse, und Charlotte Blank schlägt in dieselbe Kerbe: «Die Topografie ist steil, und die Zufahrtsstrasse wird viel grösser sein, als sie jetzt ist, mit grossen Radien.» Und Fritz Schürch, Landwirt in Unterwald, betont die grosse Nähe der geplanten Anlage zu den Siedlungen, auch zu denen auf der deutschen Seite. «Wenn es Eisstücke von den Rotoren schleudert», so Gemeindepräsident Hürlimann, «dann können die gut und gerne bis ins Wiesholz bei Ramsen fliegen,
nur rund 200 oder 300 Meter Luftlinie vom geplanten Standort entfernt.»
Ausserdem gebe es keine präzisen Windmessungen, sodass unklar sei, ob die angestrebten 20 Gigawatt Leistung auch tatsächlich erreicht werden könnten, sagt Charlotte Blank und fügt hinzu: «Die Kosten im Rahmen der Umzonung sind sehr hoch, und die 475 Einwohner Hemishofens müssen diese für einen privaten Investor tragen. Das finden wir nicht richtig.» Dass die Gemeinde nichts tue, um den Ausstieg aus der Atomkraft zu unterstützen, stellen die vier in Abrede. «Wir haben am meisten Fotovoltaikanlagen von allen Gemeinden im Kanton», sagt Fritz Schürch, und Paul Hürlimann ergänzt: «Wir können damit unseren gesamten Strombedarf decken.» Aber die Windräder, die auf dem Chroobach aufgestellt werden sollen,
die brächten nicht nur nichts, sondern würden am falschen Ort geplant: «Es gibt schon Gegenden, wo man Windanlagen aufstellen kann, aber nicht im Wald, sondern im Feld unten. Und hätte Hemishofen genügend flaches Gebiet, hätte ich nichts gegen Windräder.»
All das klingt nicht nur nach Fundamentalopposition, sondern es ist Fundamentalopposition. Dass der Schaffhauser Regierungsrat unter der Federführung von Baudirektor Martin Kessler die Problematik anders beurteilt, ist klar. Aber eines stösst Paul Hürlimann dabei ganz gewaltig sauer auf: «Wir bekommen komische Post vom Regierungsrat. Man macht uns Auflagen aufgrund von Zeitungsberichten, ohne dass man vorab mit uns geredet hat. Das stört mich schon. Der Regierungsrat setzt uns unter Druck, und das ist nicht in Ordnung. Wir sind keine Gemeinde, die sich bevormunden lässt.» Dass Hemishofen in der Windparkfrage schnell einknickt, ist also nicht zu erwarten. Charlotte Blank: «Der Schienerberg liegt zu 85 Prozent auf deutschem Gebiet und ist das älteste Landschaftsschutzgebiet Deutschlands. Es kann nicht sein, dass unsere Ecke des Schienerbergs, was Flora und Fauna betrifft, so völlig anders ist, und es
kann auch nicht sein, dass zur Gewinnung von Grüner Energie die Natur zerstört wird.» In der Planungskommission sitze auch ein deutscher Vertreter, so Paul Hürlimann. Der Widerstand auf der deutschen Seite sei sehr gross. «Im Übrigen hat ein Windparkhersteller gesagt, dass sich solche
Anlagen südlich von Stuttgart nicht lohnen würden», so Paul Hürlimann. «Und wenn ein Hersteller das sagt, dann glaube ich ihm.» Kurz: Man befürchtet, dass die Chroobach-Anlage häufig still stehen und ergo keine 20 Gigawatt Strom erzeugen würde. Und Raimondo Vincenti sagt, er sei ein technikaffiner Mensch, und dennoch doppelt er nach: «Wir machen das ganze Ökosystem dort oben kaputt. Das hat mich dazu gebracht, dass ich zum vehementen Gegner geworden bin. So geht man nicht um mit der Umwelt.»
Jetzt werde man die «Post vom Schaffhauser Regierungsrat» sorgfältig analysieren, dann im Gemeinderat und in der Kommission das Vorgehen beschliessen. «An der letzten Gemeindeversammlung waren von 48 Stimmberechtigen 47 auf unserer Linie bei einer Enthaltung», sagt Paul Hürlimann.
«Für uns ist der Souverän massgebend. Er kommt für mich vor der Kantonsregierung.» Wenn es hart auf hart komme, sei der Gang ans Bundesgericht vorprogrammiert. (Wü.)